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Letzte Änderungen: 26.Oktober 1999


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Carl Sternheim

Kampf der Metapher!

[...]
Deutsche Welt, die in Worten lebt, von denen jedes, falsch gebildet, an allem Heutigen in phantastischer Weise vorbeigreift, gilt es vom Keller aus neu aufzubauen. Das heißt: nicht mit des Zeitgenossen Sprache macht er sich über dessen Unarten und Allzumenschliches lustig, sondern gibt aus der Notwendigkeit der Stunde allem Wort neuen heutigen Sinn, daß der Mensch, Kaufmann, Journalist und Soldat, der es noch in alter Weise weiterspricht, auf einmal unerhört altmodisch und komisch ist, man ihn überholt und im Bratenrock von anno dazumal sieht. Daß er und seine Moral, Ideale, Urteile und hehrsten Ziele wie in Anführungsstrichen daherkommen. Sie überhaupt noch zu begreifen, nimmt man sie bilderbogenhaft historisch.
[Sternheim: Gesamtwerk 6. Ed. Emrich. S. 34f.]

 

Das gerettete Bürgertum

Eine Vorrede, die der bei Kurt Wolff erscheinenden dreibändigen Chronik fehlen muß.

Als neunzehnhundertundacht ein bürgerliches Lustspiel ich veröffentlichte, kannte nach Gerhart Hauptmanns Naturalismus die deutsche Bühne nur die Maskerade vom alten Fabelkönig, der jungen Königin und dem famosen Pagen, die unter mannigfaltigen Verkleidungen neuromantisch auftraten; reich kostümiert von Wirklichkeit fort Glanz sprachen, Erhabenheit handelten. In meinem Stück verlor ein Bürgerweib die Hose, und von nichts als der banalen Sache sprach in kahlem Deutsch man auf der Szene.

Ob solcher Einfalt fällte Welt das Urteil: wie war das Dichtung? Eine bürgerliche Hose und fünf Spießer, die von ihr räsonierten? Wo blieb gewohnter Glanz(ersatz) wo auch nur (Pseudo)Naturalismus? In einer Sprache redeten dazu von der Albernheit die Leute, die in keinem Buch, keiner Zeitung stand, und die kein besserer Bekannter sprach.

Der Autor, offenbarer Absicht, ließ der Komödie eine Anzahl anderer folgen, die wesentlich Neues der ersten nicht hinzufügten. Von durchschnittlichen Dingen sprach man weiter, handelte Beiläufiges mit Emsigkeit und einem Nachdruck ab, der vorher an bürgerliche Welt nicht gewandt war.

Doch diese Welt, die in der Öffentlichkeit keine Rolle spielen mochte und anderen der Verantwortung Ehre und Bürde überließ, blieb, als eines neugierigen Auges Scheinwerfer sie plötzlich auf sich gerichtet sah, verwirrt und in den Strahlen wie ertappt; schrie aus vollem Hals den Friedensstörer an, und die ergebene Presse zog blank.

Um neunzehnhundertzehn las man in allen Feuilletons: Derartige Herzlosigkeiten verbitte man sich!
[Sternheim: Gesamtwerk 6. Ed. Emrich. S. 45]

 

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